Foto | Photo: Peter Oszvald
Foto | Photo: Peter Oszvald
Foto | Photo: Peter Oszvald
Foto | Photo: Peter Oszvald
Foto | Photo: Peter Oszvald
Foto | Photo: Peter Oszvald
Foto | Photo: Peter Oszvald

Detlef Beer

ohne Titel

29.09.2013 – 05.01.2014

Im Herbst 2013 zeigt der 1963 geborene Künstler Detlef Beer in der Kunsthalle Gießen eine Ausstellung mit Malerei und Zeichnung. Er präsentiert Bilder aus den vergangenen 20 Jahren, sowie eine umfangreiche Werkgruppe von Zeichnungen. Grundmerkmal seiner zeichnerischen Konzeption ist die Konzentration auf einfache, elementare zeichnerische Setzungen und Bewegungen – Striche, Punkte, Kreise, Schraffuren, geschwungene Linien etc., die mal durch extreme Kargheit (z.B. zwei einzelne seismographisch anmutende Kugelschreiberlinien im Leerraum des Blattes) oder im Gegensatz dazu auch durch die scheinbar unendlich scheinende Reihung, Häufung und das Überziehen großer Flächen zu gesteigerten, sublimen Wirkungen gebracht werden.
 
So zeigt eine von Beers kleinsten neuen Zeichnungen in der Gießener Präsentation auf einem DinA4 Blatt eine mittig positionierte, rechteckige Fläche von 7 x 15,7 cm, in der auf einem Quadratzentimeter Papier von 20 bis zu mehr als 1000 winzige Punkte mit einem sehr dünnen Faserstift gesetzt sind – mit Offenheiten und Verdichtungen bis hin zu tiefem Schwarz.
 
Seine bisher größten Zeichnungen von 125 x 183 cm, auch erstmals in Gießen zu sehen, zeigen in diesem für Graphik außergewöhnlichen Format Felder von tausenden winzigen, ca. 1 cm langen Strichen, auch mit dünnem Faserstift gezogen, wobei Beer kleine Module von 6 bis 8 Strichen in der gleichen Richtung nebeneinander setzt und so in einer gewissen sich während des langen Herstellungsprozesses einstellenden Rhythmik handflächengroße, kreisförmige oder auch länglich ausufernde, große Zonen über den Papierbogen legt. Während der wochenlangen Arbeit jeweils wieder an anderen Stellen des großen Blattes ansetzend, füllt er so die Fläche und erzeugt in einer Art vibrierendem „All-Over“ ein zeichnerisches Gebilde, das zwar aus minimalistischen Prinzipien hervorgeht, doch in der Gesamtheit bildliche, materialhafte, zum Teil ins Surreale gehende Assoziationen (Fell, Tierhaftes) hervorruft.
 
Auch seine abstrakte Malerei bedient sich explizit elementarer Gestaltungsprinzipien; sie bewegt sich im Spannungsfeld zweier Pole: Dem Informellen, Amorphen, Gestischen, zum Teil manieristisch Gekräuselten und dem Konstruktiven, dem streng geometrisch geordneten Kosmos der fest gefügten und begrenzten Formen. Es gibt große sich jeweils über mehrere Jahre erstreckende monochrome Werkblöcke/-serien sowohl in den Farben strahlendes kühles Gelb, tiefes Dunkelblau und in der jüngsten Zeit erstmals intensives Rot, sowie Weiß und Schwarz, die durch Querformat und/oder eine Art Ausblickcharakter in einen leeren Raum oft landschaftliche romantisierende Empfindungen wachrufen. In seinen Bilderfindungen verbindet Detlef Beer diese abstrakten oder minimalistischen Flächen mit einer anderen visuellen Ebene von zum Teil eindringlicher, monumentaler Bildhaftigkeit, die in den Assoziationen des Betrachters Wirklichkeitserfahrungen anklingen lässt, (Bänder, Schleife, Keule, Hantel…) ohne dass Bildhaftes dargestellt wäre.
 
Obwohl Beers Malerei und Zeichnung seit Beginn seiner Arbeit autonome, getrennt voneinander entwickelte Werkgruppen darstellen (die sich erst in jüngster Zeit annähern), ist dieses „Inbetween“ Charakteristikum seiner Arbeit in beiden Disziplinen. Sein Vorgehen und seine Intention sich nicht abbildend, Bildlichkeit stellt sich jedoch aus dem System des Zeichnens und Malens ein und lässt den Betrachter in einen Raum blicken, wo Abstraktes sich ganz selbstverständlich mit Bildlichkeit verbindet und das analytisch Trennende zeitgenössischer Diskurse zum Schweigen kommt.
Ute Riese