Foto | Photo: Jörg Hejkal
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Trevor Paglen

A Compendium of Secrets

30.05. – 22.08.2010

Die Kunsthalle Gießen präsentiert mit Trevor Paglen einen US-amerikanischen Medienkünstler, der mit seiner subversiven Konzeptkunst seit 2000 auf dem internationalen Kunstmarkt erfolgreich vertreten ist. Trevor Paglen, der 1974 in Maryland/Ostküste geboren wurde, absolvierte ein Studium der Religionswissenschaft, musikalischen Komposition und Geografie an der University of California in Berkeley, sowie ein Studium der Kunst und Technologie an der School of Art Institute of Chicago.
 
Bei Paglens Beschäftigung mit Landkarten der Vereinigten Staaten fielen dem promovierten Geografen, der an der University of California in Berkeley lehrt, Lücken, „weiße Flecken“ wie Paglen sie nennt, in den Archiven auf. Diese fehlenden Regionen und Orte begann er systematisch zu besuchen – oder er versuchte es zumindest.
 
In seinen Arbeiten thematisiert Paglen politische Phänomene, die in den USA strengster Geheimhaltung unterliegen und deren Existenz der Öffentlichkeit verborgen bleiben soll. Die Ausstellung „A Compendium of Secrets“ ist eine Zusammenstellung von Bildern und Fotografien, die sich auf subversive und konzeptuelle Weise mit den geheimdienstlichen Machenschaften der US-Armee beschäftigen. Oft verschwommen, fragmentarisch und aus ihrem Kontext gerissen, fangen die Bilder die ambivalente Atmosphäre ein, die durch Geheimhaltung in einer charakteristischen Dynamik des Verbergens und Enthüllens aufgebaut wird.
 
Experimentelle Fotografien von Spionagesatelliten im Nachthimmel, Aufnahmen von verborgenen Militärbasen, weltweiten Testarealen des Pentagons und eine Installation mit einer Liste von Codenamen geheimer Militärprogramme erlauben einen verdichteten Blick hinter die Kulissen. Die kuriose Sammlung von Aufnähern und Insignien, die für Militärprojekte höchster Geheimstufe entworfen wurde, sowie Porträts von Mitgliedern so genannter CIA “Rendition Teams” aus gefälschten Pässen lassen Mutmaßungen über die Menschen hinter den Projekten zu.
 
Paglens Astrofotografien zeigen geheime amerikanische Raumflugkörper vor romantisch erhabenem Hintergrund von Sternen, Sternbildern und Nebeln dar. Für die Entwicklung dieses Projekts machte Paglen sich Beobachtungsdaten eines internationalen Amateurnetzwerks von “Satellitenbeobachtern” zunutze, um dann mit einem Team aus Informatikern und Ingenieuren ein Softwaremodell zu konstruieren, das die orbitale Bewegung von geheimen Raumflugkörpern darzustellen in der Lage ist. Dies erlaubte Paglen, präzise Vorhersagen über die Flugbahnen amerikanischer Militär- und Spionagesatelliten im Nachthimmel zu erstellen.
 
Auch Paglens Fotografien geheimer Militäranlagen im US-amerikanischen Westen bedienen sich astronomischer Instrumente. Diese Landschaftsaufnahmen zeigen Orte, die offiziell oft nicht einmal existieren. Der Großteil der abgebildeten Anlagen ist für das bloße Auge unsichtbar, da sie sich meilenweit entfernt inmitten abgesperrten Militärgeländes befinden. Um Bilder dieser versteckten Orte zu machen, setzt Paglen vor seine Kameras leistungsstarke astronomische Präzisionsteleskope mit Brennweiten bis zu 7000 mm. Mehrere Kilometer von trübem Dunst und Hitze, die auf den Fotografien abgebildet sind, markieren allerdings die physikalischen und epistemologischen Grenzen des Sehens. Dass die Fotografien oft unscharf sind hat somit zwar technische Gründe, wird aber auch als ästhetische Absicht wirksam – als Metapher für das Verschwimmende und Verschwindende.
 
Die militärischen Symbole und Insignien, die in Paglens Werkserie „Symbology“ gezeigt werden, geben einen Eindruck in die ikonographisch visuelle Sprache des US-Militärs.
 
Mit den aneinander gereihten militärischen Stoffaufnähern, entworfen für „schwarze” Verteidigungsprogramme, präsentiert Paglen eine enigmatische Version des Ready-made. Der bizarre Symbolismus, den die Abzeichen aufweisen, lässt die symbolische Kunst antiker Mysterienkulte und Geheimbünde anklingen; sie geben Hinweise auf Programme und Projekte, deren Namen nicht ausgesprochen werden. Und dennoch hängt Paglen die Abzeichen geheimer Militärbasen und Programme des Pentagons an die Wand wie bunte Werbebotschaften und signalisiert hierdurch eine Art Gegenspionage, verstanden als demokratischen Auftrag.
 
Eine zusätzliche und besondere Brisanz bekommt der Ausstellungsort „Kunsthalle Gießen“ durch die historische Nähe der Stadt zur US-amerikanischen Armee und die damit verknüpften, lebendigen und ambivalenten Erinnerungen der Gießener Bürger. Mehr als 60 Jahre, bis ins Jahr 2007 diente Gießen als ein militärischer Stützpunkt der amerikanischen Streitkräfte und als deren zentrales Warenverteilzentrum für ganz Europa.